Tag: Atomkraft

Minireaktoren zu Maxipreisen

NuScale wollte Minireaktoren (SMR) bauen. Da das Baukonzept vergleichsweise konventionell ist, sind sie die ersten, die in den USA eine Zulassung haben. Nach einer Kostensteigerung um 75 % musste die Firma trotz Millardenförderung von Trump-Administration aufgeben.

Der Projektpartner schreibt in einer Pressemitteilung: „In Zukunft werde sich das Unternehmen auf den Ausbau von Windenergie, Solarkraftwerken und Batterien konzentrieren.“

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EIGENTLICH sollte das Projekt aus mehreren Minireaktoren 5,3 Milliarden kosten. Dann wurden daraus 9,3 Milliarden. Und wir wissen alle: Im Bau hätts sich nochmal locker verdoppelt und fertig geworden wäre es ganz, ganz, gaaanz sicher wie geplant – wie eigentlich ALLE Atomkraft-Projekte …

Ursprünglich sollte der Strom aus dem Minireaktor (INKLUSIVE FÖRDERUNG!) 55 Dollar pro MWh kosten. Was schon nicht so richtig günstig ist. Aber für „grundlastfähigen“ CO2-armen Strom noch halbwegs okay. Dann wurden daraus – durch kräftige Kostensteigerung bei den Rohstoffen – mindestens 89 Dollar pro MWh und der Projektpartner bzw. Investor verlor spontan und völlig überraschend den Bock zu investieren.

Solarstrom kann man inzwischen OHNE FÖRDERUNG locker für knapp über 30 Dollar pro MWh produzieren. In den sonnigen USA sowieso, selbst bei uns fangen Freiflächenanlagen bei 3 Cent pro kWh an, was grob vergleichbar mit 30 Dollar pro MWh ist.

Zusammen mit Batteriespeicher entstehen Gesamtkosten um die 45 Dollar. Mit Batteriespeicher ist man aber nicht nur „grundlastfähig“ – man kann extrem flexibel Spitzenlast produzieren und da Sonne grob ganz gut zu typischen Lastkurven des Verbrauchs passt, muss nur ein Teil des Sonnenstroms zwischengespeichert werden.

Da kann ein Vorschüler ausrechnen, dass sich Minireaktoren zu Maxipreisen nicht lohnt.

Die Minireaktor-Szene versuchte natürlich sofort zu beruhigen, „Dass das jetzt nur ein Projekt wäre und gar keine Aussage über die Idee an sich träfe“.

Der Witz ist nur: Da das Konzept von NuScale recht klassisch ist und auf preistreibende Innovationen verzichtet, ist es derzeit eigentlich das Günstigste am Markt. Andere Reaktortypen arbeiten mit Flüssigsalzen etc. und werde als noch teurer prognostiziert.

Dafür wird dann gesagt, dass Minireaktoren sicherer sind und weniger Atommüll produzieren.

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So. Ihr seid ja alle klug hier. Denkt mal ganz kurz selber nach.

Wir haben eine extrem hochskalierte, zentrale Technologie, die im Regelbetrieb sehr zuverlässig auf kleinem Raum Strom produziert. Die aber leider Atommüll produziert, alles im Inneren verstrahlt (Das erzeugt auch Atommüll), ein erhebliches Restrisiko hat und jederzeit beschützt werden muss weil sie gute Ziele für Terroristen und andere kranke Subjekte ist.

Jetzt bauen wir statt einem zentralen, hocheffizienten Reaktor 10. Oder 100. Na? Was denkt ihr?

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Genau. Man skaliert nicht. Man de-skaliert eine zentrale und komplexe Hochrisikotechnologie. Ich muss jetzt nicht EINEN Reaktor steuern und warten, sondern 100. Wie genau soll das günstiger werden?

Ich hab jetzt nicht EINEN Reaktor mit all den Risiken, Sicherheitszäunen, Überwachung, Personal, Brennstofflieferungen mit Polizei ich hab 100. Ich bring das Risiko in die Fläche. Wie genau soll das SICHERER werden? Das ist doch der feuchte Traum jedes Terroristen und ein Albtraum in Kriegszeiten.

Ich hab jetzt nicht EINEN zentralen hocheffizienten Reaktor, der 30 Jahre läuft und die Materialien im Inneren verstrahlt. Ich hab 100, die alle Materialien im Innenraum unwiderbringlich verstrahlen. Wie genau soll das WENIGER Atommüll bringen? *

…..

Ich hätte jetzt einen ganz einfachen Tipp. Wie sollten statt auf diesen nächsten gigantischen HOAX namens „Minireaktoren“ reinzufallen, einfach machen, was der Projektpartner von NuScale macht: „Auf den Ausbau von Windenergie, Solarkraftwerken und Batterien konzentrieren!“

Also EXAKT das, was die Regierung und vor allem Habeck gerade sehr erfolgreich macht. Und ja, Solarenergie scheint nicht immer und vor allem saisonal unterschiedlich ** ABER das gleicht sich sehr gut mit Windenenergie aus *** so dass Sonne + Wind + Biomasse + Batterie in den meisten Fällen völlig ausreicht und für längere Mangellagen brauchen wir eine Gasreserve, die durch Wasserstoff aus Überschusszeiten ersetzt werden kann.

Atomkraft dagegen? Schlicht zu teuer.

Euer Captain F.

……

* Tipp: Man rechnet inzwischen mit dem 2-3 fachen an verstrahltem Müll.

** Zumindest in DE, ich bin gerade in Sizilien und ich kann euch sagen, hier holt man sich selbst im November nen Sonnenbrand.

*** Gerade wird die Sonne in DE kaum überhaupt mal gesehen (Wie gesagt: ich bin gerade in Sizilien, mein Mitleid begleitet euch täglich) und trotzdem kommen 83 % des Stroms aus Erneuerbaren. Winterhalbjahr = Windhalbjahr.

Hervorragender Artikel in der Wirtschaftswoche:
https://www.wiwo.de/technologie/forschung/nuscale-gescheitert-tiefschlag-fuer-die-nuklearindustrie/29499704.html?utm_source=pocket-newtab-de-de

Studie vom Fraunhofer zu den Preisen:
https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/studie-stromgestehungskosten-erneuerbare-energien.html

Reuters berichtet:
https://www.reuters.com/business/energy/nuscale-ceo-defends-modular-nuclear-plants-after-project-cancellation-2023-11-14/

Science berichtet:
https://www.science.org/content/article/deal-build-pint-size-nuclear-reactors-canceled

Renaissance der Atomkraft? Schon wieder?

Es ist ja so: Wenn die Bundesregierung einmal mehr die Energiewende verschlampt und allerorten gegen Windräder oder Strommasten opponiert wird* – dann kommt ganz sicher jemand von AfDPWirtschaftsunion in den Raum, furzt „Atomkraft ist klimafreundlich!“ oder „Atomkraft ist die Zukunft, nur wir dummen Deutschen machen wieder nicht mit!“, geht wieder und lässt den Rest mit dem Gestank allein.

Als kleiner Reminder diese Grafik. Ist es nicht alleine schon auffällig genug, wie beliebt es ist Atomkraftwerke direkt an die Grenze zu bauen? So hat Tschernobyl Weißrussland am Ende härter getroffen als die Ukraine. Und Weißrußland baut seinen neuen Reaktor Astrawez folgerichtig mit voller Absicht direkt an die Grenze zu Litauen. Als politisches Druckmittel. Nach dem Motto: Jetzt hängen die Litauer mit drin. Subtext: Wenns Weißrußland scheiße geht und sich die Pannen häufen, dann ist auch Litauen in Gefahr. Also unterstützt mal besser die Führung (bzw. den Föhrer) von Weißrußland!

Auch Fessenheim war zuletzt mehr ein Problem Deutschlands als Frankreichs. Wegen vorherrschender Westwinde hätte Fallout aus einer Kernschmelze wohl vor allem die Umgebunge von Freiburg verseucht. Und die diversen Pannen haben zu so viel Ärger, vor allem auch aus Deutschland geführt, dass man es schlussendlich endlich abgeschaltet hat. Noch dreister ist nur Chooz, das Frankreich mehr oder weniger in Belgien „reingebaut“ hat. Wer seine Nachbarn liebt, zeigt ihnen halt gern sein strahlendstes Lächeln.

Nun noch kurz in Sachen „Renaissance der Kernkraft“ die von den Unbeirrbaren immer so gerne bemüht wird. Zwei Projekte sagen eigentlich alles was man wissen muss:

Olkiluoto in Finnland
Hinkley Point in England

An diesen beiden Orten in zwei der höchstentwickelten Ländern der Welt (na gut, bei England lässt sich zunehmend drüber streiten) sollen neue Kernkraftwerke gebaut werden. Also genauer: Man versuchts. Halt nur schon etwas länger. Um es ganz genau zu sagen: Die beiden Projekte sind der Berliner Flughafen von Finnland bzw. England. Nur dass sie noch viel, viel teurer sind und die Folgekosten viel, viel höher. Sogar wenn man das Risiko einer Kernschmerze ausklammert.

Olkdingsbums wird seit 12. August 2005 gebaut. Geschätzte Kosten 3 Milliarden Euro. Geplante Fertigstellung 2011.

–> Heute geschätzte Baukosten liegen bei 11 Milliarden Euro. Ganz vielleicht soll das Kernkraftwerk Februar 2022 ans Netz gehen. Die explodierenden Kosten trägt größtenteils der französische Steuerzahler, weil Areva als Bauträger einen Festpreis vereinbart hat und französischer Staatskonzern ist. Ich wage die vorsichtige Schätzung: Das machen die nicht nochmal.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Olkiluoto
https://www.swr.de/swr2/wissen/swr2-wissen-2019-12-16-100.html

Hinkley Point. Hier begann das Projekt Neubau 2013 mit geschätzten Kosten von 16 Mrd. Pfund (ca. 18 Mrd Euro) inzwischen sind wir bei 24,5 Mrd. Pfund (27,4 Mrd. Euro) und die Fertigstellung? Nun ja. Eigentlich ist bis heute nicht mal so richtig der Bau in Gange gekommen, Stand 2019 ist man 8 Jahre hinter Zeitplan, was wenn man zurückrechnet das Jahr 2011 wäre, was somit ein Zeitpunkt vor dem Planungsbeginn wäre. Hinkley Point ist also das erste Bauprojekt der Welt, das beim Bau in der Zeit zurückreist. Sozusagen der Benjamin Button der Großprojekte.

Um das Vertrauen in den Erfolg des Projektes noch zu vertiefen: Drin hängen England (logisch), China über den Staatskonzern China General Nuclear Power und Frankreich über den Staatskonzern EDF. Wobei EDF wegen der explodierenden Kosten Angst hat Pleite zu gehen und wilde Memos verschickt wurden. Daher wurde eine Einspeisevergütung verhandelt. FALLS das Atomkraftwerk eines Tages ans Netz geht, würde der britische Staat über 35 Jahre garantiert mindestens 100 Euro pro Megawattstunde zahlen. Und zwar mit der Inflation wachsend. Es würde also mit 10 cent pro kWh starten und mit ca. 22 cent pro kWh enden.

Der Witz daran: Erneuerbare Energien produzieren Strom längst durchweg günstiger. Heute schon. Onshore-Wind kostet zwischen 3,99 und 8,23 cent pro kWh / Offshore-Wind geht von 7,79 bis 13,79 cent pro kWh / Solarenergie kostet zwischen 3,71 und 11,54 cent pro kWh / Tendenz überall fallend.

Man schätzt die Gesamtkosten von Hinkley Point für den britischen Staat auf 100 Milliarden. HUNDERT Milliarden. Das sind Löcher in der Staatskasse, da wird sogar Corona neidisch.

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Kleiner Funfact zu den alten schon bestehenden Blöcken von Hinkley Point, ich zitiere Wikipedia: „Während der Bauphase im Jahr 1961 urinierte ein Bauarbeiter gegen eine der Rohrleitungen. Dies hatte zur Folge, dass die entsprechenden Leitungen, durch welche während der Betriebsphase die radioaktiven Abwässer flossen, zu rosten begannen und deswegen 1986 die Anlage für zehn Tage stillgelegt werden musste, um die Leitungen für umgerechnet damals rund 4,5 Millionen DM zu erneuern.“

Atomkraft: Immer eine sichere Kiste! Wirklich traurig dass wir dummen, dummen Deutschen da nicht mehr mitspielen. Wir verpassen die strahlende Zukunft Leute! Aber sowas von!
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P.S. Mehr aufschlussreiche Grafiken (und Erklärungen) nur im Buch „Grafiken für eine bessere Welt“ im Yes Verlag:
https://www.m-vg.de/yes/shop/article/20212-grafiken-fuer-eine-bessere-welt/
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weitere Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Hinkley_Point
https://www.ews-schoenau.de/energiewende-magazin/zur-sache/hintergruende-zu-hinkley-point-c/
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/energie-strahlendes-milliardenspiel-1.4147237

* kurz noch ein Wort zu Bürgerinitiativen. Ursprüngliche Formulierung hab ich gestrichen weil sie missverstanden wurde. Grundsätzlich finde ich BIs ein sinnvolles Instrument des Bürgerwillens. In den letzten Jahren gab es leider einen gewissen Trend zu Nimby (Not-in-my-backyard) bzw. dem schönen St. Florians Prinzip („“Heiliger Sankt Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ and’re an!“) was meint: Alle, wollen alles haben außer den Nachteilen, die will keiner. Anders gesagt: Wer Strom will, muss halt auch irgendeinen Tod sterben. Und wer aus guten Gründen GEGEN Atomkraft und Kohle ist, muss Windkraftanlagen und PV auch in seiner Nachbarschaft akzeptieren, sonst wirds irgendwann lächerlich. Der Windstrom muss zudem von Norddeutschland nach Süddeutschland. Ganz ohne Fernspannung wirds nicht gehen, auch wenn Dänemark vormacht, dass mehr lokal ausgeglichen werden kann, als in Deutschland gerne behauptet wird. Kurz, es ist kompliziert, wenn aber an so gut wie jedem Windrand und jedem Hochspannungsmast demonstriert wird kommt überhaupt nichts voran und es ist teilweise schwer die seriösen BIs von den zunehmend verschwörungstheoretisch aktiven wie z.B. „Windwahn“ (Wobei da der Name immerhin Bände spricht) zu unterscheiden.

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/erdweg-windrad-energiewende-1.4950579
https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/245/hansi-mueller-und-die-windkraft-verschwoerer-3303.html
https://www.sfv.de/artikel/mit_vernunftkraft_gegen_saubere_energie
http://www.bund-rvso.de/buergerinitiativen-windkraft-windenergie-fake-news.html

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